
Die neue Regierungskoalition handelt in ihrer sogenannten „Migrationswende“ menschenrechtsfeindlich und rechtswidrig. Das rassistische Narrativ von Migration als „Sicherheitsproblem“ zieht sich durch den politischen und medialen Diskurs. Unter dem Vorwand, die AfD schwächen zu wollen, übernehmen die Parteien der sogenannten Mitte ihre Politik und Hetzreden. Rechtes und rechtsextremes Gedankengut wird so weiter normalisiert. Mit der Kampagne „Grenzen auf – zu Land, zu Wasser und im Kopf“ möchten wir diese nicht haltbare Erzählung aufdecken, ein Gegenangebot machen und betroffenen Personen eine Stimme geben.
Für das Recht aller Menschen zu kommen, zu gehen und zu bleiben!

Es ist kaum ein Jahrhundert her, da mussten Menschen aus Deutschland fliehen vor Antisemitismus, Rassismus, vor politischer Verfolgung, vor Verfolgung wegen ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund von Arbeitsverboten. Viele von ihnen fanden kein Aufnahmeland. Wem die Aufnahme in ein sicheres Land verwehrt blieb, war den Nazis und ihrer Vernichtungsmaschinerie ausgeliefert. Eine Lehre aus der NS Zeit und dem Grauen der Shoah waren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie formulieren Rechte, mit denen alle Menschen aufgrund ihres Menschseins ausgestattet sind: das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, auf Migration und auf Asyl.
Weniger als 1% der weltweit Fliehenden klopft an die Tore Europas
Seit zwölf Jahren in Folge steigt weltweit die Zahl der zur Flucht getriebenen Menschen an. Im April 2025 waren weltweit 122,1 Millionen Menschen und damit 1,5% der Weltbevölkerung auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Vertreibung und Verfolgung. 41% der Flüchtenden sind Kinder. Die meisten Menschen auf der Flucht bleiben als Vertriebene in ihren eigenen Ländern oder flüchten sich in die angrenzenden Nachbarländer. Dabei nehmen Staaten mit niedrigem oder mittlerem Pro-Kopf-Einkommen (gemäß Weltbank) ca. 75% der Schutzsuchenden auf. Auf den Weg nach Europa machen sich nur vergleichsweise wenige Menschen: 2024 wurden in der EU, Norwegen und der Schweiz zusammen ca. 1 Million Asylanträge gestellt.
Das Mittelmeer: die tödlichste Grenze der Welt
Dennoch aber begegnet Europa Menschen auf der Flucht mit einer Politik der Härte und Abschottung, die täglich Menschenleben an den europäischen Außengrenzen fordert: Allein 2024 starben oder verschwanden 3.530 Menschen bei ihrer Flucht über das Mittelmeer und mindestens 1.086 Menschen bei ihrem Versuch, die Kanaren und damit Spanien über den Atlantik zu erreichen.
Rettung Geflüchteter wird kriminalisiert
Nach der Einstellung staatlicher Seenotrettungsprogramme ist es allein den zivilen Seenotrettungsorganisationen überlassen, diesem Sterben entgegenzutreten. Dafür werden die Crews der Rettungsschiffe immer wieder angegangen, kriminalisiert und mit Prozessen als sog. Fluchthelfer:innen überzogen. Aber auch Geflüchtete werden seit Jahren zunehmend der Fluchthilfe bzw. als sog. „Schlepper“ angeklagt und mit zum Teil exorbitant hohen Geld- oder Freiheitsstrafen belegt – dafür, dass sie versuchen, das Steuer der häufig überladenen und kaum seetauglichen Boote zu übernehmen, um sich und ihre Mitfliehenden irgendwie sicher ans Ufer zu bringen. Wo Versuche der Kriminalisierung nicht greifen, sieht sich die zivile Seenotrettung immer mehr Schikanen ausgesetzt: Schiffe werden unter fadenscheinigen Begründungen festgesetzt, die Zuweisungen weit vom Rettungsort entfernt liegender Häfen zwingen die Schiffe zu unnötig langen und dementsprechend teuren Fahrten und halten sie von neuen Rettungsmissionen ab. Unterstützte Deutschland die zivile Seenotrettung bisher immerhin noch finanziell mit 2 Millionen Euro pro Jahr, hat das Außenministerium nun im Juni 2025 beschlossen, sogar diese finanzielle Unterstützung der zivilen Seenotrettung gänzlich einzustellen.
Geflüchtete als politischer Spielball
Auch an den europäischen Grenzen zu Lande wächst die Gewalt gegenüber den Geflüchteten, sehen sich Unterstützer:innen, die dem Leiden der Flüchtenden in den Grenzgebieten nicht tatenlos zusehen wollen, zunehmend Repressionen ausgesetzt. Im polnisch-belarussischen Grenzgebiet beispielsweise harren Menschen unter zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen aus, zerrieben zwischen polnischem und belarussischem Grenzschutz. Seit 2021 herrscht in diesem Gebiet eine humanitäre Krise, der nach Schätzungen der zivilgesellschaftlichen Organisationen vor Ort mindestens 50 Menschen allein auf der polnischen Seite zum Opfer gefallen sind. In der Drina, dem Grenzfluss zwischen Bosnien und Herzegowina und Serbien, ertrinken immer wieder Menschen bei ihrem Versuch, in Schlauchbooten den Fluss zu durchqueren. An der serbisch-ungarischen Grenze sind Pushbacks an der Tagesordnung – ungeachtet eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom Juni 2024, das u.a. die Pushback-Praxis verurteilt als gravierende Bedrohung der „Einheit des Unionsrechts“ mit „schwerwiegenden Auswirkungen auf die Rechte von Schutzsuchenden sowie auf das öffentliche Interesse“ (ProAsyl).
Deutschland schottet sich ab: unsolidarisch und geschichtsvergessen
Als treibende Kraft dieser unmenschlichen europäischen Abschottungspolitik tut sich Deutschland zunehmend hervor.
Blickt man zurück auf die Zeit des Nationalsozialismus, ist die Weigerung anderer Staaten, Verfolgte des Nazi-Regimes aufzunehmen, ob dieser Unmenschlichkeit und Empathielosigkeit unbegreiflich. Heute aber zeigt sich Deutschland selbst unsolidarisch und geschichtsvergessen. In Fortsetzung einer seit Jahrzehnten immer restriktiveren Asylpolitik, bei der der sogenannte Asylkompromiss und die Grundgesetzänderung in 1992/93 einen drastischen Einschnitt darstellten und in die faktische Abschaffung des Asylrechts in Deutschland mündeten, kappt die neue schwarz-rote Koalition nun auch die letzten Überbleibsel des Grundrechts auf Asyl und die letzten sicheren Fluchtwege nach Deutschland: Sie beendet humanitäre Aufnahmeprogramme, setzt den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aus und kündigt Aufnahmezusagen für Menschen aus Afghanistan, denen seit der Machtübernahme der Taliban für ihre Zusammenarbeit mit deutschen Institutionen nun in Afghanistan Verfolgung, Folter und Tod droht.
Wortbrüchig, unmenschlich und gegen EU-Recht
Selbst die innereuropäischen Grenzen werden für Menschen auf der Flucht geschlossen, und sie werden ohne Prüfung in das Land zurückgeschickt, von dem aus sie nach Deutschland einreisen wollen, womit sich die schwarz-rote Koalition nun sogar über europäisches Recht hinwegsetzt.
Das Recht auf Schutz und Asyl ist unverhandelbar
Dabei sollten wir eins aus der Geschichte gelernt haben: Die Notwendigkeit zu fliehen konnte damals und kann auch heute jede:n treffen. Und damals wie heute steht fest: Das Recht auf Unversehrtheit, Schutz und Asyl sind Menschenrechte und damit universell gültig und unverhandelbar. Menschen dieses Recht zu verweigern widerspricht den Grundfesten menschlichen Zusammenlebens und des Menschseins als solchem. Solange es Fluchtursachen auf diesem Planeten gibt, wird es auch Fluchtbewegungen geben. Dies anzuerkennen und sich solidarisch zu zeigen, gebietet die Menschlichkeit.
Deshalb:
Grenzen auf – zu Land, zu Wasser und im Kopf!
Wer „Stoppt die AFD“ sagt, darf zum Rassismus der gesellschaftlichen Mitte nicht schweigen.
Setz Dich mit uns ein für das Recht aller Menschen, zu kommen, zu gehen und zu bleiben. Denn: Menschenrechte sind unteilbar.
Statt Abschottung und Panikmache brauchen wir sichere Fluchtwege und gleichberechtigte Teilhabe für alle!
Seebrücke Frankfurt
mail@seebruecke-frankfurt.de
Quellen
https://www.amnesty.ch/de/themen/asyl-und-migration/migration-weltweit/dok/2024/mil
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/informieren/fluechtlingszahlen
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/mittelmeer
(letzter Zugriff am 2.7.2025)
https://mediendienst-integration.de/migration/flucht-asyl/eu-asylpolitik.html
(letzter Zugriff am 1.7.2025)
„Kein Geld für Rettung. Außenministerium trägt nicht mehr zu Seenotrettung bei.“ Frankfurter Rundschau, 27.6.2025
https://www.proasyl.de/news/ungarns-abschottung-um-jeden-preis/
(letzter Zugriff am 1.7.2025)
https://www.dw.com/de/balkanroute-fluechtlinge-serbien/a-70133797
(letzter Zugriff am 1.7.2025)